Design für Musik:
Aufmerksamkeit

von Sebastian Hartmann

Wie erreicht man Aufmerksamkeit bei potentiellen Hörern? Bevor Eure Musik gehört wird, sei es bei einem Konzert oder per Klick im Netz, werden visuelle Reize gesendet.

Damit man die richtigen, geneigten Menschen mit dem Flyer, Plakat, Banner oder Avatar anspricht muss man bis zu einem gewissen Grad Genre-Konventionen erfüllen. Wäre das betreffende Genre nicht in Eurer visuellen Kommunikation ablesbar, wäre die Streuung viel zu groß und deshalb die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich jemand mit dem passenden Musikgeschmack in den Club verirrt beziehungsweise Eurer Musik online die Ehre erweist. Nur die Konventionen zu erfüllen kann in der Regel noch nicht Aufmerksamkeit erzeugen. Hierbei ist immer wichtig das Umfeld zu betrachten. Wird euer Profilbild auf einer Seite mit vielen weiteren kleinen Profilbildern erscheinen, wie einer MySpace Freundesliste, so kann eine Animation auffallen. Es sei denn es gibt hier schon viele Animationen. Ich schätze ab einer Dichte von 10 Prozent ist die Wirkung hinfällig. Es müssen hierfür GIFs erlaubt sein. Wird eine GIF-Animation serverseitig in JPG oder PNG umgewandelt ist es vorbei mit den flackernden Bildchen.

Eine Animation muss kein Daumenkino sein. Es kann auch eine Abfolge von verschiedenartigen Bildinhalten sein: Foto, Text, Artwork, Text oder so ähnlich. Sie muss auch nicht als Schlaufe laufen und die Geschwindigkeit der Bildwechsel ist völlig flexible einstellbar. User können das Abspielen von GIFs im Browser unterbinden. Das machen versierte Vielnutzer, die schnell von zu viel Schnickschnak im Netz genervt sind. Aber durch grobe oder schlechte Animationen wird auch Ottonormalverbraucher eher abgeturnt. Manche Seiten wie eben MySpace überlassen dem Profilinhaber die Proportionen seines Bildes, andere schreiben ein Quadrat vor. Bei MySpace­ hat man also die Möglichkeit über extreme Hochformate sowohl Platz zu gewinnen, als auch das Layout der Seite zu verschandeln. Beides erhöht natürlich die Aufmerksamkeit, aber letzeres wird von feinsinnigen Individuen unter Umständen misbilligt.

Wenn ich über ästethische Probleme wie dieses spreche, sollte klar sein dass es um die Wahrnehmung aller Menschen geht. Auch Nichtdesigner werden unbewusst von schlechter Schriftwahl oder verkrachtem Grundraster abgeschreckt. Probleme sind Dinge die einem funktionierendem Informationsfluss im Wege stehen. Geschmack ist kein Problem. Man kann nicht nicht designen, man kann nur gut oder schlecht designen. Gutes Grafikdesign ist in erster Linie funktionierende Kommunikation.

MySpace ist ja bekannt für seine Videowüsten und Glitterkommentare. Dieser Aufmerksamkeitskampf mit allen Mitteln führt immer zum Gegenteil – völliger Ignoranz. Und MySpace spürt die Abwanderung zu Facebook, wo alles wesentlich reglementierter ist. Aber auch der einzelne Seiteninhaber hat ein Interesse an einer Code- und Style-mäßig akzektablen Seite. Als Faustregel gilt: wenn es schön oder witzig ist geht es fast immer durch. Ich selbst lösche nur großformatige Grußkommentare, ästethische Katastrophen und Flash wenn’s zu viel wird. Eure Seite muss sich schnell laden. Mehr als eine Handvoll Flash Objekte sollte darum keine Profilseite beinhalten. Wenn Ihr etwas ohne Flash vermitteln könnt, dann tut es!

Ein weiteres Mittel Blicke auf sich zu ziehen ist gelegentlicher Profilbild-/Avatarwechsel. Ich denke es sollte in unregelmäßigen Abständen, möglichst mit neuen Seiteninhalten, News, Terminen oder Veröffentlichungen gekoppelt passieren. Nicht zu oft! Gebt den Bildern Zeit vertraut zu werden, bis sie als Selbstverständlichkeit wahrgenommen werden. Dann: Bam!!! Neues Bild, neuer Content.

So viel zu sozialen Netzwerken, nun zum Print. Im Sinne der Kontinuität Eurer visuellen Indentität ist es ideal wenn sich Cover, Flyer, Poster und Onlinepräsenz als gestalterische Gesamtwerk präsentieren. Es ist zu beachten dass sich nicht alle Monitorfarben drucken lassen, aber dafür praktisch alle Druckfarben auf dem Bildschirm wiedergeben lassen. Wenn Euer Grafiker kein Webdesign anbietet, so hat er doch womöglich Kontakt zu einem Webber seines Vertrauens. Stille Post, also Kommunikation mit zwischengeschalteten Laien ist ungünstig bis destruktiv. Wenn der Printgrafiker und der Webdesigner sich noch nicht kennen, solltet Ihr sie kurzschliessen. Auf jeden Fall ist es gut jedem Kreativen die Beispiele Eures bisherigen Erscheinungsbildes zukommen zu lassen. Harte gestalterische Richtungswechsel können die Anhängerschaft verstören.

Die physische Welt der Flyer, Cover und Plakate. Es sind Objekte für Eure Fans. Sie können diesen Teil des Heute in ihre Zukunft mitnehmen, sich in ihr Zimmer hängen und dadurch sich selbst und ihren Freunden täglich der Loyalität zu Eurer Band versichern. Gute Fotos und Artworks erhöhen die Wahrscheinlichkeit dass das passiert. Ihr müsst für den richtigen, den angestrebten Lifestyle stehen, Botschafter sein, Teil des Ganzen. Das Wort Lifestyle gefällt vielleicht nicht jedem, dann streicht von mir aus einfach das Life. Artworks die in einem zugeordnetem kulturellen Umfeld funktionieren und womöglich sogar Respekt wecken, strahlen immer positiv auf die Musik ab. Ein optischer Exciter Effekt.

Es gibt eine dezente Form der Aufmerksamkeit. Nicht die reisserische, schnelle; sondern die langsam einsinkende, fundierte, wahre und stimmige. Das ewig bleibende. Über Jazz-Cover-Design zum Beispiel wurden einige Bücher veröffentlicht. Eine Aufmerksamkeit die im Laufe von 50 Jahren konstant gewachsen ist. Aus den Plattenschränken der Jazzsammler in die Fußgängerzonen jeder Großstadt, auf die Tische der Wohlthatschen Buchhandlungen. Die Musiker konzentrierten sich auf die Musik und die Labels bemühten sich um die besten Fotografen und Designer.

Eine ähnliche Entwicklung ist bei Konzertplakaten zu beobachten. Die Gigposter Kultur ist in Deutschland im Vergleich mit den USA noch ein sehr kleines Gewächs. Aber auch hier gibt es heute erstklassige Grafiker die sich so weit wie möglich in diese Richtung spezialisieren.

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